Fehlerteufel

In Netzwerk Texttreff wird traditionell zum Jahresende bloggewichtelt: Bloggerinnen schenken sich Beiträge. Die Losfee hat uns Nina Bodenlosz beschert. Wir mögen diese Schriftstellerin und ihre Werke sehr und veröffentlichen mit großer Freude ihren Beitrag. Danke, liebe Nina, für diesen schönen Beitrag. 

„Ich wünsche dir ein schönes neues Jahr“, schrieb sie. Oder hieß es „Neues Jahr“? Jedes Mal zweifelte sie.

„Herzlich willkommen“ hatte sie sich eingeprägt, seit sie mit Klara ein Büro teilte, die jedes groß geschriebene „Willkommen“ mit zynischem Lachen kommentierte. Stillschweigend hatte sie zur Kenntnis genommen, dass sie ihr Leben lang selbst diese Rechtschreibsünde begangen hatte.

Aber das neue Jahr? War das ein Titel, ein Eigenname oder einfach ein beliebiges neues Jahr, in diesem Falle eben das, das dem verfluchten 2022 auf dem Fuße folgte?

Sie schlug im Duden nach. Und amüsierte sich gleichzeitig über sich selbst. Wie konnte es sein, dass sie beim Schreiben von belanglosen Grüßen nicht ohne Nachschlagewerk auskam. War das typisch deutsch? Bloß keine Fehler machen, alles sollte richtig sein. Aber sie wollte tatsächlich nicht, dass sich die Klaras der Welt über sie lustig machten.

Das neue Jahr wurde also klein geschrieben. Oh nein, hoffentlich hatte sie es nicht schon tausende Male anders gehandhabt und damit zur Belustigung beigetragen. Sie schämte sich rückwirkend.

Zur Sicherheit legte sie den gedruckten Duden zur Seite. Er hatte schon einige Jahre auf dem Buckel. Sie recherchierte im Internet. Oh. Seit 2017 war es auch korrekt, ein schönes Neues Jahr zu wünschen. Damals war festgelegt worden, dass das Neue Jahr sich nun als feststehender Begriff bezeichnen durfte. Gratuliere, dachte sie. Dann war seit 2017 also alles richtig. Machte die alten Fehler aber nicht besser.

Sie las weiter: „Ich wünsche frohe Weihnachten“, das war unkompliziert. Der Heilige Abend wiederum bestand auf Großschreibung, einen friedlichen Heiligen Abend also mit schöner Bescherung. Kein Problem, sie schickte selten religiöse Nachrichten. Die Jahresendgrüße hatte sie fürs Erste sowieso fast absolviert. Blieb nur noch das neue Neue Jahr, doch diese Hürde war ja nun überwunden.

„Danke schön für die gute Zusammenarbeit“ – oder besser „Dankeschön“? War die Zusammenarbeit überhaupt so gut gewesen, dass sie sich bedanken musste? Schönen Dank auch für alles? Oder für Alles?

Eigentlich hatte sie überhaupt keine Lust mehr, Grüße zu schicken. Zum Glück war der Übergang zum schönen, neuen Jahr in ein paar Stunden bewältigt, dann war erstmal Schluss mit diesem Herumgewinde. Hieß es überhaupt schönes, neues Jahr? Es sollte ein schönes neues Jahr sein, aber doch auch ein schönes und ein neues sowieso. Wer wollte 2022 schon noch einmal auftragen. Dennoch galt das Komma als grundverkehrt, wie sie feststellte.

Sie öffnete WhatsApp und suchte ein GIF mit Grußformel aus, das sie versendete. Enthaltene Fehler gingen immerhin nicht auf sie zurück.

Geschafft. Als nächstes würden frohe Ostern kommen, die schienen unproblematisch, zumindest was die Rechtschreibung betraf. „Alles Gute zum Geburtstag“ beherrschte sie, Danksagungen würde sie einfach umschreiben.

In diesem neuen Neuen Jahr konnte wohl bei ihren Grüßen nichts mehr schiefgehen (oder schief gehen?). Ein Gruß humpelte beleidigt zur Seite, wahrscheinlich hatte ihm jemand genervt auf den Fuß getreten, weil er zu viele Komplikationen aufwarf.

Das GIF-Bild alleine schien ihr zu schnöde. Sie fügte wenigstens eine Grußformel hinzu: „Herzliche Grüße, Deine Sophia“.

Minuten später folgte ein Lach-Smiley.

„Vielen Dank für die Grüße. Das Komma hättest du behalten können. Alles Gute – Klara“